Vom Steuerzahler in uns
Über sich selbst debattieren Parlamente gern – und nicht selten mit besonderer Inbrunst. Tut dies der Zürcher Gemeinderat – wie am letzten Mittwoch geschehen – so dreht sich die Diskussion meist um die lange Liste unerledigter Geschäfte, die das Stadtparlament vor sich her schiebt wie zu Beginn die „Panta Rhei“ ihre überdimensionierte Bugwelle. Und die ihn, ähnlich wie es dem vermeintlichen Flaggschiff der Zürichseeflotte erging, zuweilen fast schon manovrierunfähig zu machen drohte.
Eine nicht allzu originelle Idee, um Abhilfe zu schaffen, hatte die CVP in Form eines Postulats lanciert. Analog zur Praxis im Kanton Aargau sollte, so der Wunsch, zu jeder Antwort auf einen Vorstoss ausgewiesen werden, welche Kosten dessen Beantwortung verursacht hat. Die Annahme dahinter: Das Wissen um den finanziellen Aufwand, den ein Parlamentsmitglied durch das Einreichen eines Vorstosses verursacht, würde eine mässigende Wirkung entfalten, sodass lediglich noch die wirklich wichtigen, wirklich gerechtfertigten und wirklich diskussionswürdigen Anliegen in eine Anfrage, eine Interpellation oder eine Motion gegossen würden. Disziplin durch Transparenz gewissermassen – mit dem imaginären Steuerzahler in uns als Schiedsrichter, der uns den Vogel zeigt, sobald eine Idee die genannten Kriterien nicht erfüllt.
Gewiss: Das Anliegen hinter diesem Postulat ist richtig. Wir alle – GemeinderätInnen und BürgerInnen – haben ein Interesse daran, dass unsere Vorstösse zeitnah und speditiv behandelt werden. Denn zum einen ist es wünschenswert, dass die Anliegen, für oder gegen die wir uns einsetzen, nicht von der Zeit überholt werden, sondern eben politisch debattiert werden können. Und zum andern ist es nur angemessen, wenn im Gegenzug für die grossen Geschäfte, oft Vorlagen des Stadtrats, mehr Zeit bleibt.
Doch die vermeintliche Lösung, die uns von der CVP angepriesen wurde, ist ebenso unnötig wie wirkungslos. Wirkungslos, weil wir die Grössenordnung der Kosten, die unsere Vorstösse verursachen, sehr wohl kennen und um den Aufwand wissen, den die Verwaltung für ihre Antworten betreibt. Und uns zu Recht gleichwohl nicht davon diktieren lassen, ob wir vorstössig werden. Denn es liegt in der Natur der Sache, dass für die einen politisch wichtig ist, was andere vernachlässigbar finden – und umgekehrt. Unnötig, weil es Aufgabe der Fraktionen ist, die Wertung vorzunehmen, welche Anliegen einen Vorstoss verdienen. Dieser Aufgabe müssen sich die Fraktionen stellen; sie kann ihnen nicht durch einen Frankenbetrag abgenommen werden. Entsprechend legt zum Beispiel die SP-Fraktion grosses Gewicht darauf, Vorstossentwürfe mit der nötigen Sorgfalt zu diskutieren, bevor sie sich danach auf der Traktandenliste des Rates wiederfinden.
Nur gut, hat der Rat am letzten Mittwoch der Versuchung widerstanden, sich selber diese wirkungslose „Therapie“ zu verschreiben. Zum Wohl der demokratischen Institutionen – und des Steuerzahlers in uns, der sehr wohl weiss, dass auch jede Minute Gemeinderatssitzung in der Rechnung nicht zu knapp zu Buche schlägt.