Nachruf auf Gustav Huonker
Im gesamten deutschen Sprachraum bekannt wurde Gustav Huonker durch die Entdeckung und diverse Herausgaben des Briefwechsels von Kurt Tucholsky mit seiner Zürcher Freundin, der Ärztin Hedwig Müller mit den biografisch bedeutsamen Beilagen der „Q-Tagebücher“. In vollständiger kommentierter Ausgabe erschienen diese Texte schliesslich 1996/97 als Bände 20 und 21 der Gesamtausgabe bei Rowohlt, herausgegeben von Antje Bonitz und Gustav Huonker. 1978 zeigte das Schauspielhaus Zürich, basierend auf diesem Briefwechsel, Gustav Huonkers szenische Collage „Zürich, Florhofgasse 1 – Tucholsky und Nuuna“ mit Annemarie Blanc in der Rolle von „Nuuna“ Hedwig Müller.
Mit dem Schauspielhaus Zürich war Gustav Huonker seit seinen Schülertagen verbunden; er sah nicht nur alle dortigen Uraufführungen von Brecht, Dürrenmatt und Frisch, sondern auch sonst die allermeisten Inszenierungen bis in die 1990er Jahre. Viele davon hat er als Theaterkritiker für das Zürcher „Volksrecht“ (später AZ) besprochen. Ebenso gehörte er auch zum Stammpublikum des Theaters am Neumarkt und des Opernhauses. Während zahlreicher Aufenthalte in Wien und Berlin besuchte er auch dort die jeweiligen Highlights des Theaterbetriebs. Zur Geschichte des Schauspielhauses schrieb Gustav Huonker mehrere Artikel und Buchbeiträge. Das Schauspielhaus und sein Umfeld bilden auch das Zentrum seines bekanntesten Werks „Literaturszene Zürich 1914-1945“, das 1985 erschien. Doch er schildert darin das ganze vielfältige Spektrum der einheimischen wie der exilierten Literaten und Literatinnen in Zürich während und zwischen den beiden Weltkriegen äusserst kenntnisreich, anschaulich und sorgfältig.
Gustav Huonker war auch ein grosser Leser und eleganter Rezensent. Seine Buchkritiken – nur selten waren es Verrisse – erschienen im „Volksrecht“, im „Tages-Anzeiger“ und in der Zeitung der Gewerkschaft VPOD. Zu seiner bevorzugten Lektüre gehörten Werke von Aussenseitern des Literaturbetriebs wie Friedrich Glauser oder Albert Erismann. Es war ihm gegönnt, bis an seine letzten Tage in seinem Haus in Schwamendingen, gefüllt mit Büchern, an der Seite seiner Gattin Anna Huonker-Frei, zu leben. Bis zuletzt bezog er stets neue Lektüre aus der Bibliothek der Museumsgesellschaft Zürich.
Neben seinen Herausgaben der letzten Briefe Tucholskys war Gustav Huonker auch Nachwortautor einer Neuauflage (1981) des ersten schweizerischen Kriminalromans „Die Schattmattbauern“ von Carl Albert Loosli, Neuherausgeber der Romane „Schwester Lisa“ (1979) und „Die Sticker“ (1981) von Elisabeth Gerter sowie Herausgeber der politischen und kulturkritischen Schriften von Albin Zollinger (1984, Band 6 der Gesamtausgabe).
Neben seiner literarischen Arbeit war Gustav Huonker Vertreter der SP im Zürcher Gemeinderat von 1970 bis 1990, und als Mitglied der städtischen Literaturkommission, des Verwaltungsrats der Opernhaus AG sowie der Kommission für Volksbibliotheken gab er dem Zürcher Kulturleben weitere Impulse. Er erhielt mehrere Ehrengaben von Stadt und Kanton.
Hauptberuflich war Gustav Huonker jahrzehntelang ein bei vielen Schülerinnen und Schülern bis ins Alter beliebter Sekundarlehrer in Schwamendingen (Schulhäuser Friedrichstrasse und Herzogenmühle), mit besonderer Leidenschaft für das Schultheater. 1961 bis 1965 arbeitete er als Feuilleton-Redaktor beim „Volksrecht“ (später AZ), dem Zürcher SP-Parteiblatt.
Die SP Zürich 12 möchte Gustav Huonker für seinen langjährigen Einsatz und seine Treue von Herzen danken. Seiner Familie und seinen Angehörigen möchten wir unser aufrichtiges Beileid ausdrücken.