Fraktionserklärung – Vorschulische Kinderbetreuung: Qualität muss jetzt Priorität haben

Heute Nachmittag hat der Stadtrat den Bericht zur Situation zwei Jahre nach Inkrafttreten der Teilrevision der Verordnung über die familienergänzende Kinderbetreuung in der Stadt Zürich publiziert. Die im Bericht aufgeführten Erkenntnisse bestärken die SP Fraktion in ihrer bisherigen Stossrichtung: nach dem nötigen Fokus auf Angebotsschaffung, müssen jetzt zwingend die Qualität und die Arbeitsbedingungen verbessert werden.

Zwei Jahre nach Inkrafttreten des neuen, vereinfachten Finanzierungsmodells und nach Abschaffung der Kontingentierung von Plätzen in einzelnen Kitas lässt sich festhalten: der Ausbau hat funktioniert. Die Anzahl der gesamthaft angebotenen Plätze in der Stadt Zürich hat sich erhöht, ebenso die Anzahl der subventionierten Plätze. Im Jahr 2019 betrugen die subventionierten Plätze 40% von insgesamt 11 331 angebotenen Plätzen.

 

Die Schaffung von Plätzen hat sogar dazu geführt, dass die Auslastung in den einzelnen Kitas leicht sinkend ist, im Jahr 2019 bei durchschnittlich 81% lag. Das Normkostenmodell berücksichtigt eine Auslastung von 90%. Der durchschnittliche Kostensatz von rund CHF 119 in Kitas mit subventionierten Plätzen lässt darauf schliessen, dass das Gros der Kitas mit dem im Modell berechneten Normkostensatz von CHF 120 einigermassen kostendeckend wirtschaften kann. So haben im Jahr 2019 60% der Kitas einen Betriebserfolg verzeichnet. Die SP Fraktion teilt daher die Grundanalyse des Stadtrates, dass das Normkostenmodell keine groben Systemfehler aufweist. Trotzdem ist bei den Züricher Kitas was die Finanzierung anbelangt längst nicht alles in Minne. Denn obschon die Normkosten rechnerisch reichen, beruhen sie auf einer Rechnung, die nur mit rund der Hälfte ausgebildetem Personal und mit Praktikant:innen arbeitet. Diese Zustände sind der Qualität abträglich.

 

Stossend sind weiter die Erkenntnisse zur kitainternen Verteilung des Geldes: Es besteht eine klare Differenz zwischen den erhobenen Reallöhnen und den im Normkostenmodell hinterlegten Bruttolöhnen. Dies insbesondere bei den unteren Lohnstufen, sprich den Fachpersonen Betreuung, die betriebswirtschaftlich am stärksten ins Gewicht fallen. Durchschnittlich verdient eine Fachperson Betreuung im Jahr 2019 CHF 62 600, hinterlegt wären im Normkostenmodell jedoch CHF 72 300. Eine weitere Erhöhung des Normkostensatzes muss daher zwingend mit einer Auflage verbunden werden, die Löhne und die Lohnentwicklung der tieferen Personalkategorien zu verbessern. Irritierend ist zudem, dass die Löhne der Geschäftsleitungen mit durchschnittlich CHF 107 300 Franken weit über den im Normkostenmodell hinterlegten CHF 90 300 liegen.

 

Auf den ersten Blick erfreulich ist zudem die leichte Abnahme der Praktikant:innen in den Zürcher Kitas. Insgesamt bleibt der Anteil jedoch zu hoch: für die SP ist klar, die Ausbeutung von Praktikant:innen in der vorschulischen Kinderbetreuung muss ein Ende haben. Vorpraktikas sind keine Bedingung für eine Lehrstelle und sollen daher maximal 3 Monate dauern. Vorderhand scheint in Zürich eine Umwandlung von Praktikas in Lehrstellen stattzufinden. Das ist zwar begrüssenswert, doch auch die Betreuung von Lernenden braucht genügend Personal und genügend Zeit. Diese Faktoren sind im Normkostenmodell bei den Personalkosten nicht berücksichtigt.

 

Die SP Fraktion ist gewillt, zu Qualitätszwecken mehr Geld in den Bereich der vorschulischen Kinderbetreuung zu investieren, möchte aber dieses Geld zielgerichtet beim Personal, in der Ausbildung von Personal und in der Betreuungsqualität sehen. Mehr Zeit und mehr Geld fürs Personal sind absolut zwingend. Diesbezügliche Vorstösse wurden bereits eingereicht: Die dringliche Motion GR Nr. 2020/44 fordert eine generelle und massgebliche Erhöhung der Qualität in den subventionierten Kinderbetreuungseinrichtungen.

 

Das Postulat 2020/45 fordert zudem Unterstützung in der Aushandlung eines Gesamtarbeitsvertrages, der als Grundlage für die Subventionspraxis dienen soll. Denn es darf nicht passieren, dass durch eine allgemeine, ungesteuerte Erhöhung des Normkostensatzes die Gewinne der Kitas oder die Löhne der Geschäftsleitungen steigen oder aufgrund der sinkenden Auslastung vermehrt in Marketing investiert wird. Die SP Fraktion wird alles daran setzen, Arbeitsbedingungen und Betreuungsschlüssel in den Zürcher Kitas zu verbessern sowie die Betreuungsqualität zu erhöhen. Nur so kann die vorschulische Kinderbetreuung leisten, wofür sie gedacht wäre: einen Beitrag zur Chancengerechtigkeit, zur sozialen Durchmischung und zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

 

Auskünfte:

Natascha Wey, Gemeinderätin SP, Tel. 076 386 82 80

Marco Geissbühler, Gemeinderat SP, Tel. 079 757 80 38

Marcel Tobler, Gemeinderat SP, Tel. 078 808 05 15

 

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