Offener Brief an die FDP zur KMU- und Gewerbepolitik

Liebe Freisinnige, wir freuen uns, dass die FDP in der SP nun wieder eine Mitstreiterin sieht und gemeinsame Projekte mit ihr plant. Die Zusammenarbeit zwischen SP und FDP hat in der Vergangenheit viele wichtige Errungenschaften ermöglicht, beispielsweise die AHV, die Vier-Säulen-Politik in der Drogenpolitik oder den berühmten historischen Parkplatzkompromiss. Bis anhin hatte es den Anschein, die FDP habe der „Koalition der Vernunft“ willentlich den Rücken gekehrt, um ihr Glück in einer vermehrten Zusammenarbeit mit der SVP zu finden. Umso mehr freuen wir uns, dass der Freisinn wieder zur guten alten Vernunft zurückkehren will. Das Schicksal der FDP als Staatsgründerin und als staatstragende Partei ist uns nicht egal. Aus diesem Grund haben wir der FDP auch SP-Mitglied Hermann Strittmatter für den Wahlkampf zur Verfügung gestellt: „Aus Liebe zur FDP“.

Gleichzeitig betrachten wir die diversen Anstrengungen der FDP gegen Bürokratie mit leichter Verwunderung. Zum einen ist die Schweizer Bürokratie international eigentlich nicht für besondere Ineffizienz und Bürgerferne bekannt. Vor allem aber steht die FDP auf kommunaler, auf kantonaler wie auch auf Bundesebene in der Regierungsverantwortung. Auf kantonaler sowie auf eidgenössischer Ebene ist die FDP Teil einer soliden und jahrzehntelangen bürgerlichen Mehrheit in Parlament und Regierung. Somit bekämpft die FDP also mit viel Aufwand Regulierungen, die sie selber verantwortet hat. Wenn Sisyphus nach Albert Camus der glücklichste Mensch ist, weil er eine permanente, nie endend wollende Aufgabe hat, so scheint die FDP damit die glücklichste aller Parteien zu sein. Dafür ist wohl eher M. C. Escher denn Alfred Escher Pate gestanden.

Wie wir in unserem Positionspapier ausführen, teilen wir das Anliegen, eine hinderliche Vermehrung von Bürokratie zu bekämpfen. Ebenso ist auch nach unserer Meinung Bürokratie abzubauen, wo sie ein sachdienliches Ausmass überschritten hat: Überholte Regulierungen wie auch Normen, die nicht (mehr) nachvollziehbar oder die zu widersprüchlichem Verwaltungshandeln führen, müssen überprüft werden. Gerne hoffen wir also, dass wir nun auch Sie beim Wort nehmen dürfen, und Sie sich auf den Ebenen, in denen Sie die Mehrheiten haben, effektiv für dieses geteilte Anliegen einsetzen.

Es freut uns, dass die FDP in einem Ranking zur KMU-freundlichsten Partei gekürt wurde. Kunststück, wenn man den Fragebogen sozusagen selbst entworfen hat. Die FDP-Dominanz in den entsprechenden Verbänden ist bekannt. Wie wir in unserem Papier darlegen, sind wir allerdings der Ansicht, dass für KMU und für Unternehmen im Allgemeinen nicht nur Parkplätze und der Steuerfuss zentral sind, sondern vor allem eine gute Infrastruktur, ein gutes Bildungs- und Ausbildungssystem und bezahlbare Wohn- und Gewerberäume. Dies wurde uns mit Nachdruck bestätigt in den vielen Gesprächen, die wir seit jeher und speziell auch im Erarbeitungsprozess unseres Positionspapiers geführt haben – es wurde an unserer Pressekonferenz auch von zwei KMU-lerinnen unserer Fraktion erläutert. Ebenso wichtig ist überdies ein konsequenter Einsatz für die flankierenden Massnahmen, gegen Lohndumping und die Scheinselbstständigkeit. Gerne arbeiten wir hier mit Ihnen zusammen. Im Interesse aller und nicht weniger.

Ihre SP